Dieses Jahr kam es wirklich knüppeldick. Das Gemüse war erntereif auf dem Acker. Mußte unbedingt geerntet und verarbeitet werden, als es meiner Frau überraschend sehr schlecht ging. Sie mußte mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus. Nun ist sie außer Lebensgefahr und auf dem Weg der Besserung. Wenn sie weiter so gute Fortschritte macht, kommt sie Mitte bis ende nächster Woche aus dem Krankenhaus. So habe ich nun wieder etwas mehr Zeit für mich, die ich gestern ausgiebig genutzt habe. Vormittags war ich im Wald, Pilze sammeln. Diese habe ich sauer eingelegt. Dann habe ich abends noch einen Liter Eierlikör, oder Klötenköhm, wie man bei uns sagt, hergestellt.
Ich werfe einen Blick in den Keller und bin zufrieden. Trotz extremer Zeitnot ist das Gemüse verarbeitet. Eingefroren, eingeweckt oder eingesäuert. Jetzt kommt in mir eine Zufriedenheit auf, die mich jedes Jahr überkommt, wenn die Arbeit getan ist. So etwas wie Erntedank. Ich würde mich jetzt gerne eine Stunde auf meine Bank am Ende meines Grundstücks setzen aber draußen tobt ein Unwetter. Schade, ich wollte auch heute noch die Wildfütterung freischneiden und für den Winter vorbereiten. Das muß warten. Ich bin zwar kein Weichei und halte mich bei fast jedem Wetter draußen auf aber das ist heute eindeutig zuviel. Also mache ich mir den Kamin an. Mit einer Kanne Teepunsch läßt es sich am Kamin auch gut entspannen. Der Teepunsch rinnt heiß die Kehle herunter und entfacht im Magen eine herrliche Glut, die den ganzen Körper entspannt und wärmt. Es ist eine schöne und beschauliche Zeit.
Allerdings hat sich die Zeit auch geändert. Früher wurde bei den Bauern auf der Dioele getanzt. Die Kirchen Waren mit Feldfrüchten geschmückt und jeder hat noch schnell zugesehen, das er seine Vorräte für den Winter einkellerte. Gemüse und Kartoffeln hatte jeder im Garten aber es gab auch noch Möglichkeiten sich kostenlos mit dem zu versorgen, was im Winter gebraucht wurde. Da waren zum Einen die Wildfrüchte die wir eifrig sammelten und die Abwechslung auf dem Speiseplan brachten, zum Anderen aber auch da sammeln von Ernteresten auf den abgeernteten Feldern. Ähren sammeln und Kartoffeln stoppeln. Ich mochte sehr gerne Kartoffel Stoppeln. Das heißt mit einer Kartoffelhacke auf dem Feld nach Kartoffeln, die der Kartoffelroder nicht erfaßt hat zu graben. Das war oft recht ergiebig, so das ich immer drei bis vier Sack Kartoffeln gestoppelt habe, die ich dann immer stolz nach Hause gefahren habe.
Einmal wich ich aber von meiner Gewohnheit ab und habe nicht alles Zuhause abgeliefert. Ich glaube ich war 12 Jahre alt, als in unserer Klasse eine neue Klassenkameradin vorgestellt wurde. Sie war mit ihrer Mutter und drei Geschwister in die Büdnersiedlung eingezogen. Die Büdnersiedlung war eine Siedlung in der die armen Familien einquartiert wurden. Sie hieß Ingrid und auf meinem Weg zur Schule mußte ich an der Siedlung vorbei. Jeden Morgen traf ich Ingrid und so langsam gefiel mir ihre Stille und zurückhaltende Art und so freundete ich mich mit ihr an. Wir saßen in der Pause auf der kleinen Mauer, die das Schulgelände umgab. Ich aß mein Pausenbrot. Sie aß nichts, bekam aber beim Anblick meines Pausenbrotes große Augen. Ich fragte warum sie nichts ißt. Sie sagte das sie im Moment kein Brot zu hause haben. Übermorgen gibt es erst wieder Geld von der Fürsorge. Mir blieb mein Brot im Hals stecken und ich reichte ihr ein Stück Brot aus meiner Brotdose. Sie bedankte sich und aß das Stück Brot so schnell, das ich glaubte, sie hatte schon lange nichts mehr zu essen bekommen. Auf dem Weg nach Hause fragte ich sie Warum sie kein Brot im Haus hatten und sie erzählte mir, das ihr Vater bei einem Arbeitsunfall ums Leben kam und es ihnen seit der Zeit sehr schlecht ging uns sie oft mal hungern mußten.
Ich sagte am nächsten Morgen meiner Mutter, das ich sehr großen Hunger in der Schule habe und mehr Brot mitnehmen möchte. Jeden Tag teilte ich mein Brot dann mit Ingrid. Als ich dann Abends nach dem Kartoffel stoppeln an der Siedlung vorbei kam mußte ich daran denken, das es dort eine Familie gab, die arm war und ich beschloß einen großen Sack Kartoffeln vor ihre Tür abzulegen. Das machte ich so leise wie möglich denn ich wollte nicht gesehen werden. Am nächsten Morgen erzählte mir Ingrid, das ihnen jemand einen Sack Kartoffel vor die Tür gelegt hat und ihre Mutter ihnen sofort Bratkartoffel gemacht hat. Sie haben so viel gegessen, das sie nur schwer einschlafen konnten. Sie hatte Tränen in den Augen und ich sah ein, das es Freude macht zu helfen. Dieses Erlebnis hat mich bis heute geprägt.
Das Feuer knistert leise im Kamin. Mich überkommt eine wohlige Zufriedenheit. Nun fehlt mir nur noch meine Frau zu meinem Glück, aberr es dauert ja nicht mehr so lange, bis ich sie wieder Zuhause habe.
Beginne jeden Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir.