Eigentlich nicht. Der echte Satanismus, also der, der tatsächlich in nennenswertem Umfang praktiziert wird, nämlich der LaVey-Satanismus, hat das Ziel, den Satanisten selbst zu erheben, und über die anderen zu stellen. Dazu sind sowohl menschlich/soziale Aspekte vorgesehen, als auch mystisch/metaphysische. Wenn dabei jemand zu Schaden kommt, ist das zwar legitim, aber das Ziel ist es nicht. Es ist eigentlich eine Mischform aus esoterischen und okkultistischen Elementen, eine physische Existenz Satans als Wesen wird teils sogar negiert, und Satan eher zu einem philosophischen Prinzip umgedeutet. Der klassische Horrorfilm-Weltzerstörer-Satanismus ist meiner Ansicht nach eine Erfindung der christlichen Kirchen, und wurde so in der Form höchstens bei ein paar einzelnen Geisteskranken praktiziert.
Ich gehe sogar so weit, dass erst die realitäts- und lebensfremden moralischen Vorgaben und die damit einhergehende Lust- und Sinnesfeindlichkeit der christlichen Kirchen, sowie deren zwangsweise Durchsetzung seitens einer weltlicher Exekutive dem Satanismus den Boden bereitet haben.
Der Chauvinismus der etablierten Kirchen, der jegliche Abweichung als satanisch definiert, fungiert dann als Self Fulfilling Prophecy. Mangels Horizonts werden von den "Satanisten" Wertekanon und Terminologie der "Christen" unkritisch übernommen, aber bei den Werten einfach die Vorzeichen umgekehrt. Das funktioniert, weil die Menschen in ihrem Denken immer noch im selben metaphysischen Konstrukt gefangen sind.
Insofern hat bezogen auf dieses Szenario Cyrus sogar recht, mit der zitierten Aussage, dass der Glauben in der Summe gleich bleibt, sich nur verschiebt.
Das sehe ich als eine Art Seitwärtsbewegung. Man stellt fest, dass der Glaube nicht zur Lebensrealität passt, und bewegt sich seitwärts, bis man einen Glauben findet, wo es passt, z.B. weil er Laster plötzlich als Tugenden definiert.
Man könnte sich stattdessen auch nach oben oder unten bewegen. Sprich einfach den Glauben zugunsten einer anderen Lebenseinstellung runter fahren. Man nannte das mal Aufklärung und die dazugehörige Philosophie bezeichnet sich als Humanismus. Es ist möglich, ein Ethiksystem zu entwickeln, das ohne eine metaphysische Legitimation auskommt.
Dieses System wird vom Christentum als Laster geschmähte Charakterzüge als ganz normale Bedürfnisse des Menschen sehen, die in sich nicht schlecht oder gut sind, sondern diese Färbung erst durch ihr Ausleben bekommen. Sexuelle Lust ist normal und legitim, erst, wenn man einem anderen Menschen damit schadet, z.B. weil man gegen dessen sexuelle Selbstbestimmung handelt, wird es eine Frage der Ethik. Neid ist bis zu einem gewissen Grad eine hervorragende Motivation, selber etwas zu erreichen, und stolz ist eine legitime Belohnung, wenn man das dann geschafft hat, nur um mal ein paar Beispiele zu nennen.