Was mich an der ganzen Thematik wirklich ankotzt, was mir sogar Angst macht, ist nicht das Thema der Debatte, welches ich für sehr wichtig halte, sondern die Art, wie sie inzwischen(?) geführt wird.
Natürlich ist es gut, auf Missstände hinzuweisen, wie z.B. eine strukturelle Diskriminierung von Frauen oder ein Klima von Missachtung und sexueller Übergriffigkeit. Ich finde es unter Umständen durchaus auch o.k., Namen zu nennen, wenn man Dinge öffentlich machen will, insbesondere auch, wenn es andere ermutigt, die Vorwürfe durch eigene Erfahrungen zu bestätigen.
Und es ist auch o.k., wenn man Vertuschungs-Mechanismen aufzeigt, und anklagt.
Soweit wie gesagt ein wichtiges Thema und ein völlig legitimes Ansinnen. Leider ist wie man so sagt "Gut gemeint" oft das Gegenteil von gut. Insbesondere, wenn aus Aktivismus Aktionismus wird, und aus guten Ideen Ideologien mit dem entsprechenden Dogma.
Das aber genau geschieht gerade mit der MeToo-Bewegung bzw. der Time's-Up-Kampagne Bewegung und der ganzen erweiterten Thematik.
Am Anfang gab es ein paar mutige Menschen, die sich gegen Machtmissbrauch, in diesem Fall dem sexuellen Ausnutzen des Machtgefälles im Showbuisiness zu Wehr setzten.
Inzwischen haben wir in den USA ein Klima, das stark an die Zeiten McCarthys erimnnern. Oder an das, was er mit seinen Methoden so vehement zu bekämpfen suchte, die Sowjetunion.
Wir haben im Geschichtsunterricht noch gelacht, als wir gelernt haben, wie Stalin Lenin-Fotos aus der Zeit der Revolution nachträglich retuschieren ließ, um Leo Trotzky zu entfernen, der aus der Sicht der KPdSU zur Unperson geworden war, und nicht mehr ins offizielle Geschichtsbild passte.
Weniger lustig waren vermutlich die Berufsverbote, mit denen das DDR-Regime all jene Schauspieler, Schriftsteller, Regisseure, Musiker, Lyriker und sonstige Künstler belegte, die nicht zur aktuellen Staatsdoktrin passten.
Dass sich der Zorn der Aktivistinnen nun gegen vermutliche Haupttäter wie Weinstein und gegen die strukturellen Grundgegebenheiten richtet, mag verständlich sein. Boykottaufrufe dagegen finde ich in dem Fall schon gruselig. An einem Film oder einer Serie sind eine Menge Menschen beteiligt, und auch wenn so ein Boykott die Richtigen" trifft, trifft er auch eine ganze Menge Falsche, die nichts dafür können, dass einer im Team ein Arsch ist. Mitgefangen - Mitgehangen habe ich noch nie für ein ethisch vertretbares Konzept gehalten. Aber es ist noch mehr. Die Kunst. Die Kunst kann auch unabhängig vom Künstler einen Wert haben. Verlieren Filme wie Pulp Fiction, Kill Bill, die Herr-der-Ringe-Trilogie, Goodwill Hunting etc. plötzlich künstlerisch an Wert, weil ein Mann als Executive Producer daran beteiligt war, der offenbar gewohnheitsmäßig Frauen belästigt und missbraucht hat? Darf man diese Filme jetzt plötzlich nicht mehr gut finden aus moralischen Gründen? Darf man sie nicht mehr zeigen? Und was ist mit einem grandiosen Film wie "Die üblichen Verdächtigen"?, der hauptsächlich von einem genialen Kevin Spacey getragen wird?
Nun kann ich den Impuls verstehen, jemanden wie Weinstein zu strafen, und als Konsument kann ich das nur wirtschaftlich. Insbesondere, weil es gerade die Vrux ist, wenn junge Schauspielerinnen oder sonstige Set-Beschäftigte quasi einen übergriffigen Produzenten hinnehmen müssen, um in einem hochkarätigen Film überhaupt mitwirken zu können. Das ist schon sehr eklig, wenn der Weg zum Ruhm qiuasi zwangsläufig über die Besetznungscouch führt. Trotzdem empfinde ich angesichts dieser Boykottforderunge und Maßnahmen einen ähnlichen Ekel wie wenn ich von Bücherverbrennungen lese.
Aber wie gesagt, den Impuls, jemanden wie Weinstein nicht auch noch finanziell zu belohnen, kann ich verstehen, auch wenn ich ihn in der Konsequenz nicht wirklich gut heiße.
Aber diesen Punkt haben wir schon lange überschritten.
Denn inzwischen stehen nicht länger lediglich der strukturelle Sexismus und dessen Protagonisten im Kreuzfeuer. Das nächste Ziel ist dann ein Woody Allen. Wirft man ihm vor, Schauspielerinnen belästigt oder deren Abhängigkeit ausgenutzt zu haben? Nein. Allen wird nun eine alte Geschichte zum Verhängnis, nämlich die Vorwürfe, seine Adoptivochter sexuell missbraucht zu haben. Diese Vorwürfe stammen aus dem Scheidungskrieg mit Mia Farrow, und dem damit einhergehenden Sorgerechtsprozess. Und sie wurden nie bewiesen.
Trotzdem scheinen unbewiesene 25 Jahre alte Vorwürfe nun das Aus für Allens Karriere zu bedeuten. Und hier beginnt das Ganze mächtig zu stinken. Denn während die Vorwürfe gegen Weinstein mehr als glaubwürdig sind, und von ihm ja auch teilweise eingeräumt werden, steht in Allens Fall schlicht seit 25 Jahren Aussage gegen Aussage. Allens Adoptivtochter, einer ihrer Brüder und vor Allem die Mutter, sprich Allens Exfrau wiederholen sie mit der selben Vehemenz, wie sie Allen selbst sowie sein anderer Sohn diese bestreiten. Allens Sohn sagt sogar aus, er habe mitbekommen, wie Mia Farrow ihrer Tochter diese Vorwürfe immer wieder eingeredet habe. Man kann in dieser Sache glauben, wem man will. Es ist, wie ich finde schwer, sich da festzulegen, weil keiner der Beteiligten wirklich unglaubwürdig ist. Aber der Punkt ist: Gauben ist eine Sache. Ich habe da eine klare Haltung dazu: Glauben heißt nicht wissen, und alleine aufgrund eines persönlichen Glaubens letztendlich harte Fakten zu schaffen, lehne ich ab.
Trotzdem werden nun auch Boykottaufrufe gegen Allen laut. Schaupieler und andere Medienschaffende distanzieren sich öffentlich von ihm und seinen Filmen, nennen sie einen Karriere-Fehler, kündigen an, ihre Gagen zu spenden. Allen wird zur Unperson, und die Hexenjagd geht weiter.
Kevin Spacey, gegen den es eine Reihe von Vorwürfen gibt, soll nun aus Filmen heraus geschnitten werden, wie Trotzki aus den Revolutionsbildern.
Das ist Welle zwei. Und auch die ist, so sehr sie stinkt, noch in Ansätzen nachzuvollziehen. Aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Denn was wir jetzt erleben, sind Mechanismen, bei denen es mir schwer fällt, auf das Wort "Faschismus" zu verzichten.
Zunächst distanzierten sich diverse Film- und Medienschaffende öffentlich wirksam von den neuen Unpersonen. Dies gschah freiwillig, ob aus Überzeugung oder Kalkül sei mal dahingestellt, aber wie gesagt, bei Hexenjagden ist das eine Begleiterscheinung.
Aber jetzt wird es totalitär. Denn inzwischen ist die Distanzierung kein Akt der Freiwilligkeit mehr. Das wird jetzt gefordert. Und das bringt uns zu dem anderen
Thread. Es geht um Matt Damon.
Der hat jetzt öffentlich Abbitte geleistet, weil die Inquisitions-Welle nun auf ihn zurollte, und das in dem erwähnten nächsten Schritt. Er steht nicht in der Kritik als Täter. Nein, sein Verbrechen ist es, nicht eindeutig genug Stellung bezogen zu haben. Offenbar wollte er bei der grundsätzlichen Distanzierungswelle nicht mitmachen, und wurde dafür angegriffen. Und dann hat der den Kardinalsfehler begangen, und geglaubt, in den USA gälte weiterhin die Meinungs- und Redefreiheit. Er hat in mehreren Statements bestätigt, dass er auf der MeToo-Welle nicht mitschwimmen wolle, hat sie gar gewagt zu kritisieren, indem er versucht hat zu differenzeren. Wütende Boykottaufrufe waren die Folge. Nun kann man Damons Äußerungen unglücklich, dumm und falsch finden, aber jemanden für eine Meinungsäußerung, die weder beleidigend noch irgendwie hetzerisch ist, medial öffentlich zu verbrennen, ist schon bezeichnend für den momentanen Zeitgeist.
Und weiter geht es.
Es war die Rede von den schwarzen Kleidern. Als Form des Protests tragen vor Allem die Teilnehmerinnen schwarz. Time'sUp. Finde ich gut. Weniger gut finde ich, wenn Menschen öffentlich dafür angefeindet werden, wenn sie es nicht tun. Kate Middleton ist nun eine solche Verräterin. Sie erschien zu den BAFTA-(British Academy of Film and Television Arts)Awards in einem dunkelgrünen Kleid. Und erntet einen Sturm der Entrüstung und der öffentlichen Anfeindungen.
Wenn eine gut gemeinte Sache anfängt, so auszuufern, dass Kunstfreiheit, Meinungsfreiheit, die Freiheit, selbst zu entscheiden, was man anziehen möchte in einer totalitären Atmosphäre derart unter Beschuss stehen, dann läuft da etwas massiv falsch.
Und ich hoffe, dass die Protagonistinnen erkennen, dass sie sich selbst und ihrem Anliegen damit inzwischen mehr schaden als nutzen.
Das ist übrigens kein neues Phänomen. Und auch nicht auf das Thema sexuelle Selbstbestimmung beschränkt.
Ich habe neulich eine Spielekritik gelesen, in der der Kritiker den Entwicklern rechtes, faschistoides Gedankengut vorwirft. Einige Begründungen sind dabei nicht mal verkehrt, aber es gibt diesen Absatz, wo er bitter die fehlende Diversität beklagt, in dem Spiel kämen keine nicht-weißen Charaktere vor. Zudem gibt einem das Spiel nicht die Wahl, einen weiblichen Charakter zu spielen. Das ist ein ganz klares Zeichen für rechte Gesinnung.
Das Spiel heißt Kingsom Come Deliverance, spielt im Böhmen des frühen 15. Jahrhunderts, und sieht sich selbst als historisch möglichst korrektes Rollenspiel. Es stehen überhaupt keine Charaktere zur Auswahl. Man spielt einen festgelegten Protagonisten. Der ist Schmiedelehrling in einem kleinen Dorf in der böhmischen Provinz. Und es ist ausgesprochen sexistisch, dass man keine Frau spielen kann, und ausgesprochen rassistisch. dass im mittelalterlichen dörflichen Böhmen keine Afrikaner, Araber oder Asiaten rumlaufen.
Dieser Geist ist wie gesagt nicht neu, und nicht wenige machen dieses, insbesondere in den USA spürbare gesellschaftliche medientotalitäre Klima letztendlich mit für 'Grab them by the pussy' Trumps Wahlsieg verantwortlich. Als Reaktion, als Backlash einer genervten Mehrheit, die keinen Bock mehr auf diese ständige wohlwollende Bevormundung hat.