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Manfred57

spankender Untoter

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Samstag, 22. Juni 2019, 19:38

Protokoll zum Beginn einer Liebe

Heute habe ich das kleine
Schränkchen in meinem Schlafzimmer aufgeräumt. Die Socken meiner
Frau kann ich ja schon allein wegen der Farbe nicht tragen. Deshalb
werde ich sie entsorgen. Solche Arbeit hasse ich, weil mir immer wenn
ich Dinge meiner verstorbenen Frau in die Hand nehme, mir die Tränen
in die Augen schießen. Als ich damit fertig war, ordnete ich meine
frisch gewaschenen Socken in die dafür von mir genutzten Schublade.



Beim Verstauen der Socken
in die Schublade finde ich einen Stapel Liebesbriefe, die meine Frau
mir in unseren ersten Wochen geschrieben hat. Obenauf lag ein kleiner
Schreibblock im A5, Format. Beim Durchblättern kamen mir die Tränen.
Es war der Notizblock in dem wir unser Kennenlernen am ersten Abend
protokolliert haben. Notgedrungen.



Gefühlsmäßig stark
aufgewühlt sah ich noch einmal nach den Kondenstrocknern, die mein
Haus nach dem Wasserschaden trocknen sollten, und ging dann durch
meinen Garten zu der Bank am Ende meines Grundstückes. Dorthin gehe
ich immer wenn ich mal meinen Gedanken nachhängen möchte. Ich war
allerdings schon längere Zeit nicht mehr da. Heute habe ich es
besonders nötig. Es ist kühl und ich muß meinen Kragen
hochschlagen aber die Luft tut gut. Ich muß wieder einmal daran
denken, wie alles mit mir und meiner lieben Frau begann, und warum
wir alles schriftlich festhalten mußten.




Damals war ich für die
Werft auf einer Übergabefahrt / Probefahrt von England nach Schweden
auf einem Schiffsneubau unterwegs. Es war Februar 1979, das Jahr der
Schneekatastrophe. Es kam Sturm auf. Der Schiffsdiesel lief anfangs
tadellos. Auf Höhe Borkum Riff gab es plötzlich Alarm in der
Maschine. Das Drucklager war ausgelaufen. Nichts ging mehr. Der erste
Anker riß sofort. Der Zweite hielt zum Glück. Der Hochseeschlepper
„Pazifik„ schleppte uns in den Elbehafen von Brunsbüttel. Dort
begannen wir mit der Reparatur. Da diese Arbeit von den angereisten
Monteuren ausgeführt wurde hatte ich Zeit und ging zu einem
Einkaufsbummel in den Ort. Brunsbüttel war wirklich nicht sehr groß.
Es bestand aus einer Nord und einer Südseite. Getrennt durch den
Nordostsee Kanal. Eine Fähre stellte die Verbindung zwischen denn
Stadtteilen her. Es war immer noch stürmisch aber auf dem Rückweg
zum Schiff brießte es richtig auf und es begann wieder zu schneien.
Das Schneetreiben wurde so stark, das ich mühe hatte zum Schiff zu
kommen. Es stürmte zwei Tage und Nächte. Die Straßen waren nicht
mehr passierbar und es kamen die bestellten Ersatzteile nicht mehr
rann. Wir lagen fest. Zwei Tage später hatte die Bundeswehr die
größeren Straßen geräumt und ich beschloß am Abend des 17.
Februar tanzen zu gehen. Ein Matrose und der Schiffskoch schlossen
sich mir an. In dem Tanzlokal war nicht viel los Es saßen zwei
Pärchen an den Tischen und drei käufliche Damen an der Theke. Ich
wollte schon fast wieder gehen.



Plötzlich ging die Tür
auf und eine junge Frau mit männlicher Begleitung kam herein. An
diesem Paar stimmte eigentlich gar nichts. Sie war eine zierliche
sehr schöne Frau und er ein Riese, dem man ansah, das sein Hirn mit
seinem Muskelwachstum nicht mithalten konnte. Die paßten nicht
zusammen. Sie setzten sich an den Nebentisch. Die Musik begann wieder
und unser Koch sprang sofort auf und forderte die Frau zum Tanz auf.
Als sie zur Tanzfläche ging, sah sie mich an und lächelte
auffordernd. Bei der nächsten Tanzrunde war ich schneller als unser
Koch. Wir tanzten und sie schmiegte sich beim Tanzen nach und nach
immer enger an mich. Nach dieser Tanzrunde gingen wir an die Bar um
ein Glas Sekt zu trinken. Der Matrose und der Koch gaben mir ein
Zeichen, das sie zum Schiff gehen wollten und verließen das Lokal.
Wir gingen an meinen Tisch, ich holte ihr Bier, stellte es ihr hin
und setzte mich neben sie. Ihr Begleiter kam und setzte sich uns
gegenüber. Er machte ein sehr saures Gesicht. „Ich heiße übrigens
Edeltraut“, begann sie ein Gespräch mit mir. Ich stellte mich
ebenfalls vor aber ihr Begleiter Quatschte uns immer dazwischen. Da
fiel mir ein, das ich immer einen kleinen Schreibblock bei mir trug
weil ich immer alle Vorkommnisse an Bord festhalten mußte. Den zog
ich aus der Tasche und begann eine Schriftliche Unterhaltung mit ihr.



Sie fand die Idee auch
ganz originell und beantwortete meine Fragen alle ebenfalls
schriftlich auf dem Block. Nach ungefähr zwei Stunden wurde es ihrem
Begleiter, ihrem Nachbarn, der ihr schon lange nachstellte zu dumm
und er ging. Endlich konnten wir ungestört kleine Zärtlichkeiten
austauschen. Sie war unglaublich zärtlich, hatte wunderschöne,
große Augen und eine tolle Figur. Sie war das, was man eine tolle
Frau nennt. Morgens um ca. vier Uhr brachte ich sie mit dem Taxi nach
Hause, bat um ihre Telefonnummer und fuhr dann zurück zum Schiff.
Inzwischen waren die Ersatzteile gekommen und die Reparatur fast
fertig. Die Monteure hatte die ganze Nacht durch gearbeitet. Am
nächsten Morgen wollten wir auslaufen, konnten aber nicht, weil das
Lager zwängte. Da mußten die Monteure noch mal ran. Um Edeltraut
noch einmal zu sehen rief ich sie an. Sie freute sich über den Anruf
und lud mich am Abend zu sich ein. Wir saßen eng umschlungen in
ihrem Haus und obwohl wir es beide noch nicht wollten, schliefen wir
miteinander. Es war einmalig. So hatte ich es noch nie zuvor
empfunden. Als ich am Morgen los mußte weinten wir beide
hemmungslos. Es schmerzte als würde mein Herz herausgerissen. Ich
besuchte Edeltraut immer wenn es zeitlich paßte. Wir verstanden uns
blind. Nach einem halben Jahr war mir klar, das ich meine große
Liebe gefunden hatte. Und ich habe es Schriftlich, wie wir uns kennen
gelernt haben. Den kleinen Schreibblock hüte ich wie einen Schatz



Ich kündigte meine
Arbeitsstelle und zog zu ihr. Drei Jahre später haben wir
geheiratet. Fünf Kinder haben wir großgezogen. Wir waren fast
sechsunddreißig Jahre verheiratet und liebten uns die ganzen Jahre
wie am ersten Tag. In all den Jahren ist kein böses Wort zwischen
uns gefallen. Leider ist sie vor sechs Jahren plötzlich ins Koma
gefallen. Nach fünf Tagen ist sie wieder aufgewacht und ist seit dem
Pflegebedürftig. Zuviel Glück hatte wohl nicht sein sollen. Nun ist
sie am 23.4. dieses Jahres gestorben


Jetzt fängt es wieder an
zu regnen. Es wird auch zeit wieder rein zu gehen. Ich muß noch
Rabarbergelee kochen. Es tat gut mal wieder seinen Gedanken
nachzuhängen. Wenn es nur nicht immer noch so weh tut. An der
Schwelle zum Alter lebt man eben mehr in der Vergangenheit.
Hoffentlich habe ich noch ein klein wenig Zukunft.
Beginne jeden Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir.

Engeline123

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2

Samstag, 22. Juni 2019, 19:51

Ich bin wirklich zu Tränen gerührt.

Sehe es wirklich als Segen so enormes Glück gehabt zu haben, so eine tolle Liebe erlebt zu haben.

Und toll das ihr Kinder habt. So lebt ein Stück von ihr in ihnen weiter.

Und falls du auch noch Erdbeermarmelade vom Einkochen hast, nehme ich ein Glas. :-)

Manfred57

spankender Untoter

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3

Samstag, 22. Juni 2019, 22:16

Hallo Engeline123.
Das mit der Marmelade wir etwas schwierig. Ich glaube dazu wohnen wir zu weit von einander entfernt.
Beginne jeden Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir.

HelmutJc

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4

Samstag, 22. Juni 2019, 23:46

Es ist sehr befreiend und erzeugt eine Vertrautheit wenn man einem Forum sein Innerstes anvertraut. Ich habe das über zwei Monate gemacht und da ist meine Unsere ganze Geschichte nachzulesen. Ich habe es niemanden und allen erzählt, alles was ich nie einem einzelnen Freund hätte erzählt. Ich war sowas von glücklich das ich den Schritt gemacht hab mich einfach leer zu schreiben um die Liebe die ich glaubte beerdigt zu haben frisch und munter nach dieser sehr schweren Zeit wieder entdeckt zu haben. Sie war nie weg, ich hatte sie unter meinem Schmerz verbuddelt. Seit zwei Monaten kenn ich keine Trauer mehr, er würde es mir nie verzeihen wenn ich immer noch traurig wäre. Wo soll da unsere Liebe dann Platz haben?
Es ist wie es ist doch es bleibt nicht so.

Klara

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Dienstag, 25. Juni 2019, 01:01

Wunderschön und auch ein bisschen lustig, wie ihr euch schreibend kennengelernt habt. Danke für‘s Teilen.
I have seen too much. I haven't seen enough.
Radiohead


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